Häuser des Jahres – Die besten Einfamilienhäuser 2017

Kaum acht Jahrzehnte nachdem Adolf Loos behauptete, man komme der Architektur nicht aus, ist sie in aller Munde und tagtäglich in der Zeitung zu finden. Das ist Ihnen noch gar nicht aufgefallen? Vermutlich lesen Sie das Feuilleton. Über Gentrifizierung, Mietpreisbremse oder Flüchtlingsunterkünfte werden Sie dort tatsächlich wenig finden. Es ist nicht die Baukultur, die die Menschheit medial gerade beschäftigt, sondern das Thema Wohnen. Und damit die ureigenste Aufgabe der „architectura“: der Schutz von Leib und Leben sowie von Hab und Gut. Glaubt man einer Studie des McKinsey Global Instituts, dann werden sich 2025 1,6 Milliarden Menschen mit den Kosten für akzeptablen Wohnraum, für den in der Regel ein Budget von 30 Prozent des Einkommens zur Verfügung steht, finanziell übernehmen oder inakzeptable Wohnverhältnisse hinnehmen müssen.

Ist es da nicht unangemessen, wenn nicht gar zynisch, 50 Häuser aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol als Häuser des Jahres 2017 zu küren? Sie alle haben nichts mit Wohnungssuche, -not und -mangel zu tun. Sie sind kein Beitrag zur Lösung der globalen Wohnkrise. Das kann das Einfamilienhaus a priori nicht sein. Ja, das ist es. Und nein, das ist es nicht. Denn es darf, da bin ich sicher, beim Bauen nicht nur um Quantität gehen, sondern es muss auch Qualität verhandelt werden. Und dafür sind die Häuser des Jahres nun einmal die besten Beispiele! „Gelungene Architektur“, hat David Chipperfield vor einiger Zeit dem SZ-Magazin in einem Interview verraten, „bringt das Beste in uns zum Vorschein: Offenheit, Großzügigkeit, Sanftmut, Ruhe, Harmonie, Freundlichkeit. Umgekehrt kann ein Raum einen Kriechstrom aus Einsamkeit und Sinnlosigkeit in uns erzeugen.“ Er meinte zudem: „Nicht schlechter Geschmack ruiniert die Welt, sondern Architekten, die vergessen haben, dass sie als Berufsanfänger die Welt zu einem besseren Ort machen wollten. Ein Gebäude zu entwerfen ist kinderleicht und kostet nicht viel Zeit, eigentlich kann das jeder. Die Herausforderung beginnt, wenn Sie an die Menschen denken, die in diesem Gebäude leben sollen.“

Ob ausschließlich Offenheit, Sanftmut und Harmonie in den Häusern herrschen, die wir Ihnen auf den folgenden Seiten – dieses Jahr grafisch erstmals vom Büro Rose Pistola aus München aufbereitet – vorstellen, wissen wir allerdings nicht. Doch was man den ausgewählten Wohnbauten ansieht und was wir von den Architekten bei Gesprächen und in Mails erfahren haben, ist dies: Stets waren die Bauherren, die Nutzer der großen wie kleinen Häuser, der Villen ebenso wie der Low-Budget-Bauten, der Behausungen in der Stadt und auf dem Land, der zahlreichen Neubauten ebenso wie der Umbauten, die meisten für das stete, einige aber auch für das Ferienwohnen errichtet, der Maßstab der Planung.

Die 50 Häuser werden präsentiert anhand professioneller Innen- und Außenraumfotos. Einheitlich dargestellte Lagepläne im Maßstab 1:2000 machen die städtebauliche Einbindung der Gebäude vergleichbar. Grundrisse und Schnitte, in der Regel im Maßstab 1:400, wurden von den Architekturbüros zur Verfügung gestellt ebenso wie Angaben über Grundstücksgröße, Wohnflächen, Bauweise, Energiestandard, Baujahr und bisweilen auch die Baukosten. Von den Architekten stammen zudem die Entwurfserläuterungen, die zu den von mir verfassten Baubeschreibungen führten. Keines der Gebäude wäre in diesem Buch, wenn sich Bauherren und Architekten nicht mehr verstehen würden, die Zustimmung der Nutzer ist selbstverständliche Bedingung für die Teilnahme am Wettbewerb. Gerhard Landau aus dem Büro Landau + Kindelbacher aus München erzählt stolz, dass er bislang noch nie einen Prozess gegen einen seiner Bauherren führen musste, für den Besitzer des Hauses am See hat er inzwischen mehrfach geplant. Während Alexander Nägele von SoHo gemeinsam mit seinem Bauherrn vor Gericht zog und um die Fassade eines Hauses in Memmingen kämpfte, mit der heute beide, Architekt und Bauherr, zufrieden sind. Womit wir wieder bei der Qualität sind. Und ein letztes Mal bei David Chipperfield: „Ein Gebäude ist zynisch, wenn der Architekt seinen ästhetischen Ehrgeiz und die Liebe zu seinem Beruf aufgegeben hat und nur noch an die Profitmaximierung seines Auftraggebers denkt.“.

Mit der Planung eines Einfamilienhauses wird ein Architekt nicht reich, zu viel Arbeit steckt in der Maßanfertigung. Auch darum macht es uns immer wieder große Freude, Jahr für Jahr herausragende Architektenleistungen vorzustellen: Als Kompliment an die Kollegen und Kolleginnen und als Anregung für alle, die der Architektur nicht auskommen wollen. Vor allem aber auch als Erinnerung daran, dass Qualität zählt.

Fakten zum Wettbewerb:
Zum siebten Mal lobte der Callwey Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architektur Museum und der Unterstützung des InformationsZentrum Beton sowie Hofquartier den Wettbewerb „Häuser des Jahres – die besten Einfamilienhäuser“ aus. Die überzeugend besetzte Jury erkor im Februar 2017 aus über 150 Einreichungen 50 Projekte und benannte aus diesen einen Preisträger, drei Auszeichnungen und fünf Anerkennungen. Dabei wurde Wert auf Nachhaltigkeit, innovativen Einsatz von Materialien, kreativen Umgang mit der baulichen Situation und auf konsequente Ausführung gelegt. Das Buch zum Wettbewerb präsentiert diese 50 besten Häuser – mit zahlreichen Fotos, Lage- und Architektenplänen und aussagekräftigen Projektbeschreibungen aus der Feder von Katharina Matzig, Architekturjournalistin. Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums und Jury-Vorsitzender verfasste die Einleitung.

Den mit 10.000 Euro dotierten ersten Preis gewann Holzer Kobler Architekturen GmbH aus Zürich für das Projekt Einfamilienhochhaus Atelierhaus ELLI in Zürich. Urteil der Jury: Besonders die Mission des kostengünstigen Bauens und das gleichzeitige Konzept für innerstädtische Nachverdichtung hat die Jury begeistert und gibt eine überzeugende Antwort auf die heute drängendsten Fragen. Sowohl der einraumbreite Wohnbau wie auch das Atelier, das doppelgeschossig organisiert unter dem Hinterhof untergebracht wurde, sind jeweils für sich gesehen gelungene Maßnahmen zur innerstädtischen Nachverdichtung. Besonders geschickt aber ist deren Zusammenschaltbarkeit, die sogar den angrenzenden Altbau mit einbezieht, in dem sich die kleinen Räume des Wohnhauses mit den großzügigen, stützenfreien des Ateliers kombinieren lassen. So ergibt sich eine hohe Nutzungsflexibilität. Vorgefertigte Betonelemente bilden die Hülle des Gebäudes und prägen dessen architektonischen Ausdruck, der aus dem Anspruch der Kostenreduzierung entwickelt wurde. Das Bild vom „Wohnen im Rohbau“ wird mit wohldurchdachten Details ergänzt, die mit einer kraftvollen Palette an Farbtönen zusammen Akzente im Inneren setzen. Dies führt zu einer klaren Aussage, die das Rohe, Provisorische und scheinbar Unbelassene in ein wohnliches, von zeitloser Eleganz geprägtes Gebäude verwandelt.

Auszeichnungen gingen an:
– studioRAUCH, München, für das Haus „Fenster zum See“ in Hechendorf/Seefeld
– Architekt Pavol Mikolajcak, Bozen (I), für das Haus „Zwei, drei, eins“ in Villanders
– Architektur & Baumanagement/ Baumeister DI Jürgen Haller, Mellau (AUT), für das Gebäude „Haus, Halle und Hof“ in Dellmensingen

Anerkennungen gingen an:
– LP architektur ZT GmbH, Altenmarkt im Pongau (AUT), für das Haus „Bücherstadel“ in Embach
– Bfs d flachsbarth schultz, Berlin, für das Projekt „Gartenhaus“ in Berlin-Zehlendorf
– Architekt bernardo bader zt gmbh, Dornbirn (AUT), für sein Objekt „Archetypus“ in Laterns
– EBERLE ARCHITEKTEN BDA, Augsburg, für das Haus „Längsgestreift“ in Mering
– Reuter Raeber Architekten, Basel (CH), für das Objekt „Gebauter Dualismus) in Riehen

Alle 50 Arbeiten präsentiert das Deutsche Architekturmuseum (Frankfurt am Main) vom 29. September bis 26. November 2017 in einer Ausstellung.
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Weitere Infos unter http://haeuser-des-jahres.com. Partner des Wettbewerbs sind das Deutsche Architekturmuseum, das InformationsZentrum Beton, Hofquartier, der Baumeister sowie der Callwey Verlag.

Die Autoren
Peter Cachola Schmal hat Architektur an der TH Darmstadt studiert und ist nach Stationen bei Behnisch+Partner und der TU Darmstadt seit 2006 Direktor am Deutschen Architekturmuseum. Er fungierte als Deutscher Generalkommissar der Biennalen in Sao Paolo 2007 und Venedig 2016.

Katharina Matzig hat Architektur an der TU Braunschweig studiert und als Redakteurin für BauNetz  in Berlin gearbeitet. Sie schreibt Texte für Fach- und Tagespresse und ist seit 1997 für die Architekturvermittlung bei der Bayerischen Architektenkammer zuständig.

Die Jury
Vorsitz: Peter Cachola Schmal (Direktor des DAM); Lydia Haack (Architektin und Stadtplanerin, Landesvorsitzende BDA Bayern); Guntram Jankowski (Architekt und Preisträger des Jahres 2016); Katharina Matzig (Architekturjournalistin); Ulrich Nolting (InformationsZentrum Beton); Reimund Stewen (Vorstandsmitglied Verband Privater Bauherren e.V.).

Peter Cachola Schmal, Katharina Matzuig
Häuser des Jahres
Die besten Einfamilienhäuser 2017
272 Seiten
466 farbige Abbildungen und Pläne
23 x 29,7 cm
gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-7667-2278-2

Verlag: Callwey

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